Wie neue Arbeitswelten nicht aussehen sollten

Vorab eine Warnung: Ich neige gelegentlich zu leichter Ironie und satirischen Anflügen. Nehmen Sie also bitte nicht alles wörtlich, was Sie in diesem Artikel finden werden...


Im Laufe der Jahre habe ich viele Räume kennen gelernt, in denen Menschen produktiv arbeiten sollen. Gerade bei Neubauten haben Unternehmen die Chance, Ihren Mitarbeitern eine moderne, die „New Work“ ermöglichende Arbeitsumgebung zu erschaffen. Leider zeigt die Praxis, dass dies nicht immer gelingt. 


Setze vollständig auf Technik

Gerade in Zeiten von Corona wird erkennbar, dass der physische Kontakt zwischen Menschen in seiner Bedeutung völlig überschätzt wird.


Online-Konferenzen können physische Meetings offenkundig praktisch vollständig ersetzen. Online-Whiteboards bieten nicht nur fast dieselben Möglichkeiten zur Zusammenarbeit, sondern ersparen auch die Entsorgung von Unmengen von Haftnotizen.


Mitarbeiter, die in physischen Meetings das Wort führen, werden dies auch in einer Online-Konferenz tun; eher schweigsame Mitarbeiter wird man auch dort kaum wahrnehmen - damit ändert sich also auch diesbezüglich fast nichts.


Vermeide Flipcharts in Meetingräumen

Flipcharts kosten Geld, sowohl in der Anschaffung (gerade, wenn es ein gutes sein soll), als auch im Unterhalt (auch gute Blöcke mit Mikroperforation, die ein sauberes Abreissen ermöglichen, sind nicht billig).


Aber nicht nur das, auch ist ständig der eingeklemmte Block leer, niemand besorgt rechtzeitig Nachschub, die Stifte sind ständig leer, wenn man sie braucht. Alles in allem genügend Gründe, um Besprechungsräume nicht mit solch wartungsaufwändiger Low-Tech auszurüsten.


Schaffe beste Sichtbarkeit

Ein guter Meetingraum benötigt eigentlich nur große Bildschirme an beiden Enden des Raums. Dort kann alles angezeigt werden, was nötig ist, und mithilfe von Online-Whiteboards können virtuelle Haftnotizen mit leserlicher Schrift erzeugt werden, was einen großen Vorteil gegenüber physischer Wandarbeit darstellt.


Die Verbindung zwischen präsentierendem Laptop und Monitor ist schnell hergestellt, der Wechsel zwischen unterschiedlichen Präsentierenden ist ebenso schnell und aufwändig möglich. Kleinere technische Probleme und Verzögerungen, die dazu führen, dass nichts zu sehen ist, oder der falsche Inhalt angezeigt wird, nimmt man da gerne in Kauf.


Durch die Nutzung beider Monitore wird zudem Verspannungen der Teilnehmer im Schulter-Nacken-Bereich vorgebeugt, da immer wieder die Blickrichtung um 180° gedreht werden muss - das steigert die Durchblutung im Nacken.


Umfangreiche Inhalte können dank der Zoom-Funktion auch in ausreichender Lesbarkeit dargestellt werden. Durch den ständigen Wechsel von Übersicht und Detailansicht wird die Aufmerksamkeit der Teilnehmer aufrechterhalten und der Orientierungssinn gefördert.


Installiere Tische fest im Raum

Mitarbeiter neigen bekanntlich dazu, sich ihren einmal erkämpften Platz dauerhaft zu sichern. Bewegliche Schreibtische sind daher um jeden Preis zu vermeiden, schon alleine, weil die Verkabelung ja in festen Bodentanks angestöpselt werden muss.


Auch in Meetingräumen sollten Tische zentral im Raum und dort unverrückbar angebracht werden, um zu vermeiden, dass die Anwesenden anfangen, Tische und Stühle so zu verrücken, wie ihnen das gerade passen würde.


Die Verkabelung der Anschlüsse an den Tischen mit den Bodentanks muss ausserdem so knapp ausgelegt werden, dass möglichst keine Spielräume vorhanden sind. Die Mitarbeiter könnten sich sonst mit den Füßen in der Verkabelung verheddern, Arbeitsunfälle wären die Folge.


Spare mit Anschlüssen

Werden weniger Steckdosen vorgesehen, als Mitarbeiter im Raum sitzen können, dient das der Meetingkultur. Mitarbeiter, deren Laptop-Akku sich zu leeren droht, werden auf ein beschleunigtes Ende des Meetings hinwirken, es werden also Ergebnisse in kürzerer Zeit erzielt. Auch das ein nicht zu unterschätzender Nutzenfaktor!


Vermeide Wände, an denen Haftnotizen angebracht werden können

Gerade bei Neubauten wirken glänzende Glaswände und frisch weiß gestrichene Außenwände sehr aufgeräumt. Haftnotizen, die manche Mitarbeiter dort vielleicht anbringen möchten, würden dieses Bild zerstören. Daher ist jede Ambition sofort im Keim zu ersticken, zumal Haftnotizen ja dank Miro, Jira, Planner & Co völlig überflüssig sind - siehe oben.


Vermeide Whiteboards

Auch Whiteboards mit den dafür notwendigen Stiften sind ein steter Quell von Kosten und Unbill. Oft werden die falschen Stifte genutzt, so dass die Whiteboards mit unauslöschlichen Schattenbildern versehen sind, die das Arbeiten erschweren. Inhalte der Vorgänger sind nicht weggewischt, so dass man erst einmal Arbeit hat, die eigene Arbeitsfähigkeit herzustellen.


Auch hier gilt also: warum physisch arbeiten, wenn doch die elektronischen Mittel viel besser für die Arbeit geeignet sind?


Vermeide haptische Arbeit, wo immer möglich

Deutschland ist ein Land von Ingenieuren, und Ingenieure lieben Technik. Ihnen ist es daher immer lieber, mit elektronischen Tickets in Planner oder Jira zu arbeiten, als mit Haftnotizen an der Wand.


Auch aus diesem Grund sind alle Räume unbedingt so zu gestalten, dass die Mitarbeiter erst gar nicht auf die Idee kommen, sich gemeinsam vor eine Wand zu stellen und dort zu arbeiten, oder Tische so zu verrücken, dass ein Lego-Workshop abgehalten werden könnte. Das würde nur von den erfolgreich eingeübten Praktiken ablenken und irritieren.


Verlange Geld für Meetingräume

Wir alle wissen, dass viel zu viele Meetings abgehalten werden. Durch die Bepreisung von Raumbuchungen können Mitarbeiter wirksam dafür sensibilisiert werden, Meetings nur dann abzuhalten, wenn sie wirklich unvermeidbar sind. Schließlich wird sich ein Mitarbeiter dreimal überlegen, ob er die Kostenstelle seines Chefs mit mehreren hundert Euro am Tag belasten möchte.


Fazit

Wenn Sie also einen Um- oder Neubau planen: denken Sie an all das. Gerade dann, wenn Sie nicht ansatzweise daran denken, Ihr Unternehmen zu agilisieren.


Oder, wenn Sie das dann doch vorhaben sollten und solche Räume besitzen: Ändern Sie's. Ermöglichen Sie Ihren Mitarbeiter, Besitz von den Räumen zu ergreifen, und sie so zu gestalten, wie es für ihre Arbeit sinnvoll und notwendig ist.


Ermöglichen Sie - auch spontane - Zusammenarbeit, wo immer sie sinnvoll ist. Gestalten Sie Arbeitsbereiche für Teams so, dass sie flexibel nutzbar sind - bewegliche Stühle, bewegliche Tische, bewegliche Anschlüsse.


Schaffen Sie Ruhezonen, in denen die Menschen nachdenken können. Schaffen Sie akustisch abgeschottete Bereiche, in denen Telefonate möglich sind, ohne andere zu stören.


Statten Sie die Teambereiche mit großen, beweglichen Monitoren und Videokonferenzsystemen aus, über die Mitarbeiter aus anderen Gegenden dauerhaft Teil des Teams sein können und jederzeit kommunikationsfähig sind.


Sorgen Sie dafür, dass es überall Whiteboards, Pinwände, Haftnotizen, Flipcharts gibt und jederzeit Nachschub vorhanden ist, an den die Teams ohne Aufwand herankommen.


Sorgen Sie für genügend Flächen, an denen die Teams ihre Backlogs und Planungen aufbauen können - auch für umfangreiche Produktentwicklungen.


Sorgen Sie aber auch dafür, dass die physische Arbeit technisch leicht übernommen werden kann, so dass sie möglichst unaufwändig elektronisch gespiegelt werden kann.


Setzen Sie also die Hürden für die physische Zusammenarbeit und spontane Kommunikation so niedrig wie möglich! Überlassen Sie die Raumplanung und Raumgestaltung Ihren Mitarbeitern, und geben Sie Ihnen alle Möglichkeiten, das erfolgreich zu tun!



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